Wir erforschen gemeinsam mit älteren Menschen Methoden zum partizipativen Entwerfen für das Internet der Dinge. Ziel unserer Arbeit ist, soziotechnische Innovation auf Augenhöhe mit den Menschen, die es betrifft, zu ermöglichen. Dafür entwickeln wir neuartige Co-Design-Werkzeuge, Methoden und Begegungsformate.
Unsere Gruppe ist an der Professur Medieninformatik an der Technischen Universität Chemnitz zu Hause. Als interdisziplinäre Gruppe verfügen wir über Kompetenzen aus Designforschung, Produktdesign, Informatik und Soziologie.
Wir entwickeln und erproben interaktive Co-Design Werkzeuge und Co-Design Methoden, um gemeinsam mit zukünftigen Anwenderinnen und Anwendern den Design Space des smarten Zuhauses zu explorieren, zu verstehen und kritisch zu reflektieren. Wir entwickeln und erproben außerdem offene und öffentliche Co-Design-Labore um smarte Technologie außerhalb der Universität gemeinsam auszuprobieren, zu entwerfen und zu verändern.. Diese Werkzeuge, Methoden und Labore sind innovative Formate der Partizipation, um mit Anwenderinnen und Anwendern alternative Zukünfte für das smarte Zuhause und die vernetzte Nachbarschaft zu entwickeln.
Technikentwicklung für ältere Menschen ist oft defizitorientiert
Forschungsbereiche wie die Sozialrobotik und die Mensch-Computer-Interaktion haben die Entwicklung von Assistenzsystemen für ältere Menschen zur Bewältigung des Alltags als eine wichtige Sphäre ihres Wirkens identifiziert. Leider wird Altern hierbei oft als defizitärer Prozess begriffen. Sinkendes funktionales, kognitives und soziales Leistungsvermögen älterer Menschen soll durch assistierende Technologie verbessert werden. Überraschenderweise haben diese Forschungsbereiche bisher verhältnismäßig wenig Interesse daran gezeigt, Menschen, die von solcher Technologie betroffen wären, tatsächlich und auf Augenhöhe in Entwurfsprozesse einzubinden.
Partizipatives Entwerfen
Wir begreifen Anwenderinnen und Anwender als Co-Entwerfer zukünftiger Technologien. Basierend auf dem Paradigma des Participatory Designs skandinavischer Schule entwickeln wir am Beispiel des smarten, vernetzten Wohnens prototypisch Co-Design Werkzeuge, Methoden und Labore um potentielle Anwenderinnen und Anwender in alle Phasen des Designprozesses einzubinden. Wir sind der Überzeugung, dass ohne intensive und frühzeitige Einbindung der Anwender weder deren Probleme verstanden, noch passende Lösungen entworfen werden können.
Co-Design Werkzeuge
Die ubiquitäre Vernetzung von Menschen, Dingen und Orten in einem Internet of Everything birgt viel Potential. Die nicht greifbare Materialität dieser soziotechnischen Systeme macht sie allerdings zu einer besonderen Herausforderung für das Entwerfen. Um die Möglichkeiten und Grenzen smarter Dinge zu erforschen, entwickeln wir interaktive Werkzeuge. Das sind vernetzte, technische Artefakte, die Funktionen und Kombinationsmöglichkeiten des Internet of Things verkörpern und zum gemeinsamen Entwerfen mit Anwenderinnen und Anwendern dienen.
Co-Design Methoden
Wir kombinieren diese Werkzeuge mit innovativen Workshop-Methoden. Wir wollen damit die Möglichkeiten des Internet of Things für Anwender ohne technischen Hintergrund erfahrbar, verstehbar und vor allem kritisierbar machen. Gleichzeitig sollen Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Workshops dazu ermächtigt werden, eigene Funktionen, Nützlichkeiten und Nutzungszusammenhänge aus ihren konkreten sozialen Kontexten heraus zu entwickeln. Wir konfrontieren Menschen also nicht mit fertigen Szenarien, oder fragen nach Akzeptanzwerten für technische Konzepte. Durch unsere Werkzeuge und Methoden werden Anwender vielmehr zu gleichberechtigten Co-Gestaltern und damit konsequent in die Entwicklung integriert.
Open Public Labs
Wir wollen Entwurfsprozesse so gestalten, dass Menschen mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Das schaffen wir, indem wir Anwenderinnen und Anwender zu Co-Entwerfern ihrer eigenen soziotechnischen Netzwerke machen. Damit das gelingt, entwickeln wir Konzepte für offene und öffentliche Orte zur gemeinschaftlichen Aneignung und Ermächtigung existierender Technik und zum »Hacken« von Alltagsproblemen, aber auch zur Vernetzung mit dem Ziel gemeinsamer Wirkmächtigkeit und schließlich gemeinsamen Entwerfen.
Interdisziplinarität
So nah an tatsächlichen Anwendungen zu arbeiten und gleichzeitig neue Technologien zu entwickeln ist eine große Herausforderung. Anwenderorientierte Entwicklungsprozesse in einem noch wenig explorierten Feld wie dem smarten Wohnen in der vernetzten Nachbarschaft zu realisieren, heißt deswegen auch, die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen zu überschreiten. Das betrifft einmal die interdisziplinären Grenzen zwischen einzelnen Domänen von Entwicklung wie Netzwerktechnik, Medieninformatik und Produktdesign. Dabei überschreiten wir auch den Graben zwischen analysierenden Disziplinen wie Soziologie und herstellenden, sich einmischenden Arten von Forschung, wie Designforschung. Durch integrierte Prozesse in unserer Gruppe sind wir in der Lage, diese Grenzüberschreitungen zu reflektieren. Damit verfolgen wir auch das Ziel, partizipatives Design in der Informatik und technischen Disziplinen stärker zu verankern.
Rückwirken auf Gesellschaft und Forschungsförderung
In diesen Prozessen werden Selbstverständlichkeiten, Fachsprachen und auch Identitäten von Forscherinnen und Forschern in Frage gestellt und müssen sich neu beweisen. Das gilt vor allem auch mit Blick auf unsere Verflechtung im gesellschaftlichen Anwendungsfeld. Wir betreiben keine Forschung ‚außerhalb‘ der Gesellschaft, sondern mitten in ihr. Diese Transdisziplinarität im Umgang mit unseren Anwenderinnen und Anwendern zu etablieren, sie zu ermächtigen und mit ihnen auf Augenhöhe zu entwickeln, ist eines unserer wichtigsten Ziele. Wir wollen unsere Erfahrungen und Methoden in einem Prozesshandbuch für andere Projekte, die Technik entwickeln, verfügbar machen und so auch auf Ausschreibungen und Forschungsförderungspolitik zurückwirken.